Claudia Lanfranconi
Und dann war es endlich soweit! Im Dezember 1931 bestieg Elly Beinhorn ihr Klemm-Propellerflugzeug und startete durch. In einer simplen Sportmaschine mit offenem Cockpit ohne Sauerstoff- und Na- vigationssystem umrundete sie als erste Frau in einem Flugzeug die Welt und kehrte mit 30.000 Kilometern auf dem Tacho und drei Bruchlandungen triumphierend nach Berlin zurück. Trotz aller Gefahren – hoch über den Wolken genoss die deutsche Flugpionierin berauschende Glücksmomente, grenzenlose Freiheit und das schöne Gefühl, dass selbst die wagemutigsten Träume Wirklichkeit werden können, wenn man will.
Ökonomische Unabhängigkeit kann eine Voraussetzung sein, um sich selbst zu verwirklichen. Die Geschäftsfrauen legten einen atemberaubenden Arbeitseifer an den Tag, um ihre Visionen und Produkte allen Widerständen zum Trotz erfolgreich zu vermarkten. Beate Uhse startete ihr Versandgeschäft mit Aufklärungsbüchern und Anregungsmitteln in einem Keller. Estée Lauder arbeitete unentgeltlich in einem Friseursalon, bevor sie mit Gratisproben ihrer Cremes eine breite Klientel überzeugte und als Kosmetikqueen gefeiert wurde. Ein besonders beeindruckendes Beispiel unter den Business-Ladys ist Margarete Steiff, die seit ihrer Erkrankung an Kinderlähmung stark behindert war und im 19. Jahrhundert eigentlich keine Aussicht auf ein selbstbestimmtes Leben hatte. Sie überwand alle Hürden und wurde mit ihrer Tatkraft und Disziplin das beste Vorbild und Motivationstraining für ihre fast vierhundert Angestellten, die nach ihren Entwürfen Stofftiere und Plüschbären nähten.
Noch nie war es so leicht wie heute, Bildung zu erwerben und Karriere zu machen, zumindest trifft das auf den wohlhabenderen Teil dieser Welt zu – das haben wir den Vorkämpferinnen für Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit zu verdanken. So gehört Elizabeth Blackwell zu den ersten Frauen, die in den USA Medizin studierten. Je mehr Absagen sie erhielt, desto härter kämpfte sie um die Zulassung an einer medizinischen Fakultät, aber auch für das Recht aller Frauen auf höhere Bildung. 1849 war es soweit und sie hielt ihren Universitätsabschluss in Händen.
Von einer „gläsernen Decke“ wollten sich Frauen, die nach dem Chefsessel strebten, im 20. Jahrhundert nicht länger abschrecken lassen. Gräfin Marion Dönhoff, die ab Ende der 1960er Jahre erst als Chefredakteurin, dann als Herausgeberin das liberale Image der Wochenzeitung Die Zeit entscheidend prägte, hätte allerdings selbst vor einer Barriere aus Beton nicht Halt gemacht, um für ihre politischen und moralischen Überzeugungen einzutreten.
Ebenfalls nicht aufhalten ließen sich jene Frauen, die den großen Auftritt liebten und als Schauspielerinnen, Modedesignerinnen oder Gesellschaftsdamen das kulturelle oder private Leben verschönerten. Unvergessen die legendäre Elsa Maxwell, deren Partys Kultcharakter hatten und auf deren Einladungsliste wirklich jeder stehen wollte. Die lebenslustige Marchesa Luisa Casati verkündete unterdessen »Ich möchte ein lebendiges Kunstwerk sein« und investierte in die Innenausstattung ihrer Paläste, in Kleider, Kostüme, Kunst und Feste konsequent ihr ganzes Vermögen, bis am Ende nichts mehr davon übrig war.
Es ist noch gar nicht so lange her, da durften Frauen weder wählen gehen noch ein eigenes Konto eröffnen! Beflügelt von dem Wunsch, die Welt zu entdecken und die Flora und Fauna fremder Regionen zu erforschen, waren Forscherinnen wie Amalie Dietrich und sie unternahmen beschwerliche Exkursionen und verzichteten im Dienste der Forschung und Wissenschaft oft auf privates Glück, aber auch auf allerlei Annehmlichkeiten wie ein sauberes Bad. Wer hoch hinaus will, muss offensichtlich Opfer bringen.
»Ja, ich fliege!«, hätte Elly Beinhorn als Antwort auf die Titelfrage gejubelt, die als Aufforderung an alle Hörerinnen verstanden werden möchte, sich nach dem Vorbild der hier versammelten Frauen Ziele zu setzen und in das Abenteuer des Lebens zu stürzen.
Claudia Lanfranconi
HÖRBÜCHER